
Die Nikolaus Story

Jetzt weiß ich wie mein
Mann
mal mit 80 aussieht

Kalt um die Nase wird's, wenn das
Wundermittel aus der Sprühdose ins
Gesicht schneit und den Mann zum
Greis macht

Nicht nur mit dem Schlitten unterwegs,
der Nikolaus im Einsatz

Und so sieht der Nikolaus aus,
nachdem er in der Maske war

Noch mal der Nikolaus im Einsatz

Die Nikolaus Story
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Ein
Nikolaus aus echtem Haut und Haar
Ralph
Lang mag seine Auftritte bei den Weihnachtsfeiern von Betrieben
Bei
diesem Nikolaus passt einfach alles, wenn er auftritt: Der Bart ist
echt, die Haare schlohweiss, der mächtige Bass formuliert
feinsinnig Sätze, und auch die Statur stimmt. Unter der roten
Kapuze steckt Ralph Lang aus Kernen – ein Profi-Nikolaus seit 30
Jahren. Und auch bei der Weihnachtsfeier in einem Autohaus
begeistert sein Publikum.
Alle
Nikoläuse haben einmal klein angefangen. Auch Ralph Lang. Anfang
der 70er-Jahre, nach seinem Abitur, ist er zur Finanzierung des
Spielplatzes auf der Korber Höhe in Waiblingen in die rote Kutte
geschlüpft – „und habe neben anderem den damaligen OB Gauss
besucht und seine Kinder überrascht.“ Lang fand Gefallen daran
– auch wenn er sich erinnert, dass der Kunstbart aus Hanf
furchtbar gekratzt hat am Kinn. Mittlerweile hat sich geändert:
Ralph Lang, von Beruf freier Journalist, hat sein Äußeres in
Richtung echten Nikolaus geändert: Der Bart wird mit einem weißen
Wundermittel eingesprüht, das auch gleich noch Falten erzeugt, und
er sieht wirklich so aus, als ob er mitten aus dem Winterwald kommt.
Auf der Nase sitzt eine kleine Nickelbrille. Die Kutte ist in all
den Jahren gleich geblieben, nur der Bauch wurde etwas fülliger.
Die mächtige Schelle stammt vom früheren Büttel aus Rommelshausen
und passt zum Ambiente, das von den Mann in der roten Kutte ausgeht.
„Der ist subbr geschminkt“, sind die meistgehörten Kommentare
beim Anblick des Rotkittels. Vor Jahren hat er auch zusammen mit OB
Kiel immer den Fellbacher Weihnachtsmarkt eröffnet – „und Kiel
hat mich erst an meiner Stimme gemerkt, wer neben ihm steht, obwohl
er mich schon seit Jahren kannte.“
Geändert
hat sich allerdings sein Publikum: „Früher habe ich eben auch wie
die Nikoläuse vom Arbeitsamt oder Studentenschnelldienst
Familienbesuche gemacht und Kindern die Leviten gelesen. Da
verdienst man sich seine ersten Sporen.“ Heute wird Ralph Lang vor
allem von Firmen für Weihnachtsfeiern gebucht oder von
Einkaufsgemeinschaften wie am 8. Dezember ab 10 Uhr von der Oberen
Cannstatter Straße, um seine kleinen Kollegen aus Schokolade an die
Kunden zu verteilen.
Die
Weihnachtsfeiern sind dem Journalisten aus Kernen am liebsten.
„Mein Programm ist auf Erwachsene zurecht geschnitten. Da kommen
schon mal ein paar sehr lockere Bemerkungen rüber. Wichtig ist es,
die richtige Schnittstelle zu finden, von einer Figur aus dem
Kinderbereich zu Betriebsangehörigen, die eben fröhlich bei einer
Feier zusammen sitzen und vom Nikolaus unterhalten werden wollen.“
Die
Unterhaltung kommt bei Lang ganz sicher nicht zu kurz. Spontan
reagiert er auf Zwischenrufe – so leicht bringt ihn nichts aus der
Fassung. „Egal, ob jung oder alt – der Nikolaus, der da vorne
steht, strahlt einfach Autorität aus. Und er bestimmt auch die
Regeln, wie sein Auftritt abläuft“, weiß der 48-Jährige, auf
dessen Kundenliste DaimlerChrysler genauso steht wie Debis, Hewlitt
Packard oder viele kleinere Unternehmen. Sein Programm kommt an.
Nach einer launigen Begrüßung zeigt Lang sein Showtalent: In
seinem Buch hat er die kleinen Auffälligkeiten von Mitarbeitern
aufgelistet, die er nach vorne bittet: „Du darfst niemand bloßstellen
oder gar blamieren. Aber der Kollege, der nie seine Kaffeetasse aufräumt
oder partout mit einem Toyota aufs Daimler-Werksgelände fährt, den
kann man schon ein wenig hochnehmen.“ Und so ganz nebenbei bringt
der Mann in der roten Kutte die kleinen Sünderlein auch dazu, ein
Weihnachtslied zu singen – „davongelaufen ist noch keiner, und
wenn du Glück hast, ist noch ein wirklich guter Sänger darunter,
der die anderen mitreißt.“ Er erinnert sich an eine Veranstaltung
im Weinstädtle in Großheppach, als er vor internationalen
Computerspezialisten auftrat. Die hatten sogar einen Dolmetscher
bereitgestellt – doch „der ist gar nicht erst aufgestanden, weil
ich alles auf Englisch gemacht habe“. Und weil bei dem spontanen
Betriebschor auch
ein amerikanischer Gospelsänger dabei war, hat er den zum Solo
gebeten: „30 Minuten waren eigentlich geplant, doch dann wurde es
über eine Stunde“.
30
Jahre Erfahrung - da weiss der Bärtige auch um die Klippen, die er
umschiffen muss. „Ein Nikolaus vor dem Essen ist problemtisch,
weil die Leute einfach Hunger haben, und natürlich nach einem Glas
Wein einfach lockerer drauf sind.“ Wie bei seinem Auftritt vor
Jahren in einem Waiblinger Baufachhandel: „Da wurde ich mit einer
22 Jahre alten brasilianischen Sambatänzerin engagiert. Die hat mir
im Schnelldurchlauf einige Tanzschritte beigebracht und dann haben
wir eine tolle Show abgezogen. Wobei ich bei der leichten Bekleidung
der Brasilianerin nicht nur wegen meiner Kutte ins Schwitzen
gekommen bin,“ schmunzelt Lang.
Unvergessen
ist ihm auch sein Auftritt beim Mercedes-Veteranen-Club im Museum in
Untertürkheim. Die Verantwortlichen vom Stern auf der Kühlerhaube
hatten 50 Clubpräsidenten aus aller Welt eingeladen. Die bat Lang
alle auf die Bühne, damit sie in ihrer Heimatsprache schöne
Weihnachten und ein gutes neues Jahr wünschen: „Da waren Japaner
genauso dabei wie Chefs aus Indonesien, Indien oder Afrika. Und als
die dann auch noch mit mir Jingle Bells mit Begleitung durch die
Band von Franziska Bold aus Fellbach gesungen haben, war die
Stimmung einfach perfekt.“
Eigentlich
wollte Ralph Lang nach 25 Jahren die rote Kutte an den berühmten
Nagel hängen – weil er dachte, das sei jetzt eigentlich genug.
Doch als im folgenden Jahr die ersten Anfragen eingingen, da wurde
er doch wieder weich: „Mir macht das eben auch unheimlich Spaß.
Und wenn du eine gute Veranstaltung hingelegt hast, dann bist du
auch mit dir selbst zufrieden. Und gut waren eigentlich fast
alle“, sagt er und trollt sich zu seinem nächsten Auftritt.
Michael Becker
Horch
was kommt von draußen rein...
@aol.com
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